Gegen Entwicklungshilfe auf Verdacht: Die Beweggründe der Menschen vor Ort verstehen, um – in guter Absicht – nicht die falschen Maßnahmen zu ergreifen
Es gibt kein pauschales Rezept, um die positive Wirkung von Entwicklungsvorhaben zu verstärken. Doch es hilft, die Menschen vor Ort verstehen zu wollen, bevor eine Aktion gestartet wird.
Die Wirtschaftsprofessorin und Armutsforscherin Esther Duflo beschreibt anschaulich, wie Kleinigkeiten über die Akzeptanz von gut gemeinten und oft auch überzahlten Hilfsprogrammen entscheiden:
Eine kostenintensive, zertifizierte Aufklärungskampagne über die Folgen ungewollter früher Schwangerschaften bei kenianischen Schülerinnen blieb ohne Ergebnis, doch wurden die Mädchen, die eine kostenlose Schuluniform erhielten, seltener sehr früh schwanger und nahmen dadurch länger am Unterricht teil. Lehrer (wie Schüler) an 120 indischen Schulen erschienen häufiger zum Unterricht, nachdem sie ihre Anwesenheit zu Beginn und am Ende mit einem Foto von der Schulklasse dokumentieren mussten und ihr Lohn sich nach der Zahl dieser Fotos richtete. Ähnlich verhielten sich Krankenschwestern in staatlichen Gesundheitszentren, die sich der Arbeitszeitkontrolle mittels Stechuhren durch persönliche Entschuldigung entzogen, dann aber Gefallen an der Fotodokumentation ihrer Anwesenheit am Arbeitsplatz fanden. Zusätzliche Krankenschwestern einzustellen, um Eltern zu bewegen, ihre Kinder öfter impfen zu lassen, erwies sich im indischen Idaipur als nicht hilfreich. Doch als die Eltern für eine Impfung mit einem Kilo Linsen belohnt wurden, stieg die Bereitschaft, am Präventionsprogramm teilzunehmen, sprunghaft an.
Read
Esther Duflo. Kampf gegen die Armut. Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013